
Der rechte Ellenbogen ist einbandagiert. Irgendwo darunter sind fünf Löcher und Schnitte, die genäht wurden. Die erneute OP am Ellenbogen (ziemlich genau vor einem Jahr wurde ihr Knochen vom Beckenkamm transplantiert) ist gut verlaufen. Die Schrauben wurden entfernt, ebenso die Knochenfragmente, die erneut abgebrochen sind und regelmässig ihr Gelenk blockierten. Das sollte jetzt nicht mehr der Fall sein. Nun darf sie den Arm während sechs Wochen bewegen aber nicht belasten. Das ist gar nicht so einfach. Nicht zu belasten, wenn man bewegen kann und soll. Irgendwann ertappt man sich, dass man trotzdem einen Teller trägt - oder das gefüllte Glas.
Auch die diversen Kontrollen und Untersuche hat sie mittlerweile hinter sich. Und ja, es ist so, wie wir befürchtet haben. Durch die damals so schwere Bauchspeicheldrüsenentzündung (das war etwas vom Schmerzhaftesten in den letzten Jahren) wurde rund Dreiviertel des Pankreas nekrotisch, das heisst er ist abgestorben. Irreparabel.
Der Pankreas ist zwar klein, hat jedoch wichtige Aufgaben in unserem Körper. Einerseits ist er für die Produktion von Insulin und Glukagon zuständig, damit der Blutzuckerspiel reguliert wird. (Wie durch ein Wunder muss Malin seit Jahren kein Insulin mehr spritzen. Warum dies so ist, kann uns niemand so genau erklären. Egal - wir nehmen es dankbar an.)
Andererseits ist er wichtig für unsere Verdauung, indem er Enzyme produziert, die Kohlenhydrate, Proteine und Fette spalten, damit diese in kleinsten Bausteinen vom Körper aufgenommen werden können.
Und genau diese Funktion fällt bei Malin weg. Weil der Pankreas diese Enzyme nicht mehr produziert, werden die Nährstoffe nicht mehr gespaltet, die Aufnahme der Nährstoffe, sowie die Verdauung sind gestört. Die Folge davon sind die immer wiederkehrenden Bauchschmerzen und die Übelkeit, die manchmal auch mitten in der Nacht auftreten konnten.
Seit einigen Wochen nimmt sie nun wieder das Medikament "Creon", es enthält den Wirkstoff "Pankreatin" mit den für die Verdauung der Nahrung wichtigen Enzymen in konzentrierter Form. Diese bauen die in der Nahrung enthaltenen Fette, Proteine und Kohlenhydrate zu verwertbaren Bestandteilen ab.
Konkret heisst dies: Malin muss zu jeder Mahlzeit dieses Medikament einnehmen. Bei kleinen Zwischenmahlzeiten eine tiefere Dosis, bei Hauptmahlzeiten eine höhere Dosis.
Sie kennt dieses Medikament und deren Einnahme bereits. Deshalb ist es für sie nichts Neues. Während ihrer Chemotherapie musste sie es bereits schon einmal einnehmen.
Damals für eine begrenzte Zeit.
Jetzt ihr Leben lang.
Ihre Müdigkeit hat einen anderen Grund. Ganz einig sind sich die Ärzte dabei allerdings nicht. Die einen diagnostizieren einen massiv zu tiefen Eisenwert und bieten sie mehrmals zu einer Eiseninfusion auf, die anderen sind fast schon entsetzt darüber. Sie finden den Eisenwert zwar tief aber noch im grünen Bereich. Eiseninfusionen - das sei fast schon fahrlässig, kritisieren sie die Kollegen und erklären uns detailliert mit vielen Fachbegriffen ergänzt und sehr ausschweifend die Zusammenhänge. Wir verstehen kaum die Häflte davon. Aber es wird klar, dass Eisenmangel nicht ihr grösstes Problem ist und entsprechend nicht mit Infusionen behandelt werden sollte.
Der Onkologe hat eine andere Erklärung für ihre Müdigkeit. Bei vielen ehemaligen Krebspatienten käme dies vor: Das Fatigue-Syndrom, ein chronisches Erschöpfungssyndrom ist eine chronische Multisystemerkrankung. Sie kann unter anderem auch nach einer Chemotherapie auftreten. Bei Malin war die Therapie sehr intensiv, mit vielen lebensbedrohlichen Situationen. Diese ständige Müdigkeit - unabhängig von ihrer Schlaflänge - könnte durchaus eine Erklärung dafür sein.
Wir wissen wieder einiges mehr. Und auch wenn es nicht wirklich positive Rückmeldungen sind, dann können wir immerhin anhand von Ultraschall-Bildgebung ausschliessen, dass etwas an Bauch- und Magenraum nicht in Ordnung ist. Das ist schon mal erfreulich - und lässt meinen Sorgenbarometer langsam wieder sinken...