Bauchgefühl

Malin nimmt Autofahrstunden. Schon lange. Mit mehreren monatelangen Unterbrüchen, aufgrund von Schmerzen an den Beinen und Armen. Aufgrund immer wieder neuer Operationen und den danach nötigen Erholungs- und Therapiezeiten.

Es ist wirklich sehr mühsam für sie. Diese dauernden Zwangspausen. Die Motivation leidet entsprechend.

"Ha gar kei Bock meh!" sagt sie einmal - und man sieht es ihr an.

Sie hat wirklich kein Bock mehr.

Sie hat das Gefühl, immer wieder von vorn anfangen zu müssen und die Möglichkeit, regelmässig zu üben und dran zu bleiben, fehlt ganz.

 

Nach zwei Jahren muss sie ihren Lernfahrausweis verlängern. Sie tut dies telefonisch.

Und bekommt von der Frau am Telefon unfreundlich und vorwurfsvoll zu hören: "Also zwei Jahre sollten dafür ja eigentlich reichen...!"

Sie sei so perplex gewesen, dass ihr darauf keine schlaue Antwort eingefallen sei, erzählt sie mir viele Wochen später. Also sagte sie nichts, schluckte ihren zusätzlichen Frust und das Gefühl des "Unverstandenseins" herunter.

Ich werde richtig sauer. 

Es geht nicht an, solche überflüssigen und verletzenden Kommentare abzugeben ohne nachzufragen und die Gründe zu kennen. Die Frau weiss gar nichts, nimmt sich jedoch die Freiheit heraus, ihre Meinung kundzutun. Ungefragt und unangebracht!

 

Heute morgen sind Padi und ich ausnahmsweise beide zu Hause. Malin verabschiedet sich von uns. Sie hat Fahrstunde.

"Mein Bauchgefühl sagt mir, dass sie heute die Fahrprüfung hat." sage ich zu Padi.

"Meinst du? Warum? Hat sie was gesagt?"

"Nein, hat sie nicht. Kein Wort. Es ist einfach so ein Gefühl. Keine Ahnung warum. Auf jeden Fall drücke ich die Daumen - egal wofür genau. Es kann ja nicht schaden."

Mittags kommt sie nach Hause. 

"Und?" 

Beide schauen wir sie erwartungsvoll an.

"Alles guet - so wiä suscht. Sind ide Stadt gsi."

Sie packt ihre Sachen aus, isst mit uns. Erzählt. Ist so wie sonst.

Da habe ich mich wohl getäuscht.

Ich schaue sie an: "Ich hätte wetten können, du hast heute die Prüfung! Habe dir die Daumen gedrückt. Aber anscheinend vergeblich. Macht nichts."

Ihre Miene verrät immer noch nichts.

Und sie zieht es durch bis am Abend - dann kommt es doch noch heraus. Sie hatte heute morgen tatsächlich die Fahrprüfung und das Beste: Sie hat bestanden!

Wie freue ich mich für sie! Grossartig!

Wieder etwas geschafft und zum Abhaken!

Eigentlich hatte sie vor, einmal cool den Autoschlüssel zu zücken und wegzufahren - und uns so zu überraschen. Deshalb sagte sie uns kein Ton. Fast hätte sie es geschafft.

Wäre da nicht dieses Bauchgefühl gewesen...