Rückblick 2024

"Wie fandest du das Jahr 24?" frage ich Padi, während wir durch den Schnee stapfen.

"Wir haben einiges erlebt und wir durften im Sommer grossartige Familienferien machen! Ich finde, es war ein gutes Jahr."

 

Die Sommerferien waren wirklich unglaublich, voller Eindrücke und Erlebnisse. Es war jene Reise, die wir ursprünglich nach Malins zweijähriger Chemo geplant hatten - als Aufsteller für die vielen Entbehrungen und Schmerzen - für Malin, aber auch den Rest der Familie, die mitgelitten und mitgetragen haben.

Aufgrund ihren dauernden Schmerzen in den Beinen verschoben wir die Reise um fünf Jahre. Kaum hatte Malin die zweite Prothese, begann ich, das Thema "Familienreise" wieder aufzugreifen. Wir einigten uns gemeinsam auf Thailand und wollten das Land während drei Wochen gemeinsam bereisen. Ich begann Flüge, Fähren, Züge und verschiedenste Unterkünfte zu buchen. Zu zweit würde ich das nicht so akribisch planen - aber zu fünft...

Die Vorstellung, zu fünft irgendwo zu stranden, eine Unterkunft suchen zu müssen (allenfalls noch mit grossem Hunger und schlechter Laune) und nichts Freies zu finden, graute mir. Und so las ich Ferienratgeber, erkundigte mich bei Thailand-KennerInnen und stellte letztlich eine für uns passende Reise zusammen.

Wir starteten in Bangkok, reisten Richtung Norden, um mit einem Guide verschiedene Tempel und kulturelle Bauten zu bewundern. Danach bereisten wir mit Zug und Fähre Orte und Inseln im Süden des Landes und erkundeten beim Schnorcheln die wunderschöne, bunte und faszinierende Unterwasserwelt. Ich war begeistert davon. Die vielen Farben, die Fische und Schildkröten, die völlig unbeeindruckt von uns in dieser wunderbaren Stille vorbeischwammen. Die Zeit verflog im Nu. Ich lag stundenlang im Wasser und staunte über diese wunderschöne Unterwasserwelt. Erst später spürte ich den argen Sonnenbrand an Hintern und Waden, den ich mir im Wasser schwimmend eingehandelt hatte. Es hat sich trotzdem gelohnt.

Während den drei Wochen klappte alles wie am Schnürchen - es war beruhigend und grossartig. Mit Ausnahme doch einiger pubertären Aussetzer und der permanent miesen Stimmung unserer Jüngsten.

Am Anfang hat mich das unglaublich frustriert. Und enttäuscht. Ich hatte so viele Stunden vorbereitet und mich (seit Jahren) so sehr auf diese Familienreise gefreut, dass ich mit den permanent mürrischen Blicken sowie den unmotivierten und schnippischen Kommentaren nur schlecht umgehen konnte. Eigentlich hat es mich ja nicht sonderlich überrascht, und doch hoffte ich im Innersten, dass es eben nicht so sein würde.

Einige Tage und Diskussionen später musste ich einsehen, dass meine Erwartungen zu hoch waren. Ich musste lernen, die hormon-gesteuerten Stimmungsschwankungen unseres Teenagers grosszügig zu ignorieren und "meine" Wochen "für mich" trotzdem zu geniessen. 

Ab diesem Moment - mit dieser Einsicht - ging es tatsächlich recht gut. Meistens jedenfalls.

 

Wir sind tief beeindruckt von Thailand. Von diesem wunderschönen, vielfältigen, kulturell interessanten und kulinarisch reichen Land mit den überaus freundlichen und hilfsbereiten Menschen! Wir durften viel sehen und viel erleben. Es dürften voraussichtlich die letzten gemeinsamen Familienferien gewesen sein. Besonders schön, dass alles so reibungslos geklappt hat und wir alle gesund und mit vielen Erinnerungen im Gepäck wieder nach Hause durften.

Ein Geschenk! 

Rückblickend für uns alle fünf! Denn auch unsere Jüngste sagte später, die Ferien seien wirklich super gewesen. (Nur schade, dass wir anderen während der Reise nur wenig davon gespürt haben.)

 

Das Jahr 2025 ist jedoch nicht nur auf diese Reise zu reduzieren. Auch Malins Reisen nach Italien, Frankreich und Sri Lanka waren wunderbar und bereichernd für sie.

Joel packt sein Studium gewohnt locker, ist viel mit seinen Freunden unterwegs, auf Skitouren oder beim Wandern. Dabei nehmen sie oft ihre grossen Drohnen mit und produzieren spektakuläre und faszinierende Bilder sowie Filme der wunderschönen Schweizer Natur- und Bergwelt. Wichtig zu erwähnen, dass sie sich dabei an sämtliche Gesetze, Regeln und Wildruhezonen halten.

Und Enya ihrerseits reiste im Herbst mit ihren besten Freundinnen nach Barcelona. Auch dies eine bleibende Erfahrung mit vielen schönen Erinnerungen für sie.

Wir liessen sie alle drei gehen - waren aber froh, wenn sie wieder unversehrt, mit vielen neuen Eindrücken, nach Hause kamen.

 

Es war ein gutes Jahr. Wir durften viel Schönes erleben.

Aber nicht nur. 

Als Malin das erste Mal von ihren Schmerzen am Arm spricht, bricht in mir mein so krampfhaft aufgestelltes Kartenhaus in sich zusammen.

Alles platt.

Wie hatte ich mich gefreut, dass Malins Beine operiert waren, sie endlich wieder zu Fuss unterwegs sein durfte und ein Ende in Sichtweite war.

Endlich!

Und dann sagte sie, der Arm täte ihr so weh.

Ich wollte es nicht hören. Nicht sowas. Trotzdem hörte ich's. Und sämtliche inneren Alarmglocken dazu!

Laut.

Und sie hörten nicht mehr auf.

Was sollte das?

Reichte es noch nicht?!

War es noch nicht genug!?

Die ganze Geschichte nochmals von vorn? Einfach Arme statt Beine?

Damit hatte ich nicht gerechnet. Keinen Moment lang.

War fassungslos, konsterniert. Traurig.

Hatte Mühe. Mühe, dass es nicht aufhörte. Mühe, dass Malin schon wieder dermassen ausgebremst wurde. Spürte doch, wie auch bei ihr die Luft draussen war. Die Müdigkeit war schon lange ihr ständiger Begleiter. An manchen Tagen schaffte sie es kaum aus dem Bett.

Wozu auch?

Und wie - Herrgott nochmal - sollte sie es aus dieser Lethargie schaffen, wenn immer wieder neue Hürden kommen - neue Knochen abbrechen?

 

Sie nahm Hilfe an, versuchte mit einer Psychologin die vergangenen Jahre - und die neue Situation aufzuarbeiten. Immerhin.

Trotzdem schien sie immer ratloser, orientierungsloser, mutloser, müder.

Es machte mir Angst.

 

Ich konnte sie zu einer neuerlichen Berufs- und Studienberatung überreden. Diesmal ganzheitlicher, die Physiognomie wurde mit einbezogen. Vielleicht würde sich so eine mögliche und passende Richtung finden lassen?

Die Beraterin machte ihren Job grossartig, mit einer unglaublichen Empathie. Sie schaffte es, Malin verschiedene mögliche Berufsrichtungen aufzuzeigen. Vor allem aber schaffte sie es, sie aufzumuntern und zu stärken.

Sie kannte nur einen Bruchteil der Geschichte aber sie sagte ihr zum Abschied: "Was du bisher schon geschafft hast, Malin - DU kannst wirklich ALLES schaffen!"

 

Das nehmen wir mit ins neue Jahr.

DU kannst wirklich ALLES schaffen!

Malin ist wieder motiviert, macht Zukunftspläne, organisiert mögliche Praktikumsplätze. 

Sie ist wieder da.

Also - abgesehen von einigen Zwischentiefs - doch ein gutes Jahr.

Padi hat recht.